Kompression messen und Druck interpretieren

Joachim

Joachim

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Hallo,

immer wieder mal muss die Kompression gemessen werden und dann wird gerätselt wieviel Druck nun gut oder schlecht sei.

In den Handbüchern zum Zetor steht leider nur das Verdichtungsverhältis, als "Kompressionsverhältnis" übersetzt angegeben. Meist liest man hier nun 17 oder 17:1 was aber wohl nicht dem Messwert "BAR" gleichzusetzen ist, denn mit 17 BAR Kompressionsdruck dürfte auch der Zetor spätestens im Winter recht schlecht anspringen...

Die 17 oder 17:1 beschreibt wohl nur:
gesamten Zylinderraumes vor der Verdichtung zum verbliebenen Raum nach der Verdichtung
(Quelle: Wikipedia.de ).
Hinzu soll nun noch die Verdichtungswärme kommen, wie man hier und da liest.

Wie berechnet man nun den Kompressionsdruck - kann da wer was zu schreiben? :denk3

Ich würde nämlich mal grob, ganz grob, so etwa 24-26 BAR in den Ring zur Diskussion werfen weil wir hier vom Direkteinspritzer reden... :ka:
 
Hallo Joachim,

ja das Verdichtungsverhältnis ergibt sich aus dem Volumen an Luft am Beginn der Kompression zum Volumen an Luft am Ende des Kompressionshubes.

In Kenntnis des Verdichtungsverhältnisses läßt sich der Druck am Ende des Kompressionshubes (p2)berechnen.

Die Formel lautet: p2 = p1 x E hoch k

Formelzeichen:
p1 = Luftdruck zur Beginn der Kompression (also 1bar)
p2 = Luftdruck am Ende der Kompression
v1 = Luftvolumen am Beginn der Kompression
v2 = Luftvolumen am Ende der Kompression
E = Verdichtungsverhältnis (also 17 = v1/v2)
k = Isentropenexponent von Luft (1,4)

Damit haben wir bei einem Verdichtungsverhältnis von 17 einen Druck von:

1 bar x 17 hoch 1,4 = 52,79 bar

Dies gilt natürlich nur für die ideale Zustandsänderung des Gasgemisches Luft und unter der Annahme, dass während der Kompression keine Wärme an die Umgebung (also an Zylinderwand und Kolben) abgegeben wird (deshalb auch der Isentropenexponent von 1,4). Wenn man den Polytropenexponenten der Luft und die Menge an Wärme wüßte, welche bei der Kompression an die zu untersuchende Kolbenmaschine abgegeben wird, könnte man das genauer berechnen. Den Polytropenexponenten kann man aber nur experimentell bestimmen und gilt eben auch dann nur für die im Experiment getestete Kolbenmaschine.
Grob gesagt, kommen halt dann mit Polytropenexponenten statt des Isentropenexponenten nur etwa 40 - 45 bar am Ende des Verdichtungshubes raus (Ist ja auch nachvollziehbar, da die vedichtete Luft bei Abgabe von Wärme an die Zylinderwandung etwas kühler wird und sich dadurch etwas entspannt).

Aber grundsätzlich hat Joachim mit etwa 25 bar bei Prüfung der Kompression einer Dieselmotors mit einem Verdichtungsverhältnis von 17 schon recht. Wenn bei Prüfung des kalten Motors in Anlass-Drehzahl 25 bar gemessen werden, ist die Kompression in bester Ordnung. Können nur Drücke unter 20 bar, oder nur 15 bar gemessen werden, ist der Verschleiss schon deutlich gegeben.

Der Hauptgrund, warum es nur 25 bar und nicht die 52,79 aus dem Idealprozess sind:

Die Kompressionsprüfung wird ja nur bei Anlass-Drehzahl durchgeführt. Der Kolben wird also mit nur geringer Kolbengeschwindigkeit nach oben gedrückt. Und da machen sich die Spalte aller Bauteile (Zylinder, Kolben und Kolbenringe) gut bemerkbar. Die Luft hat also bei geringer Kolbengeschwindigkeit - also bei Anlassdrehzahl - genügend "Zeit" um sich den Weg durch die Spalte zu suchen. Die Luft geht dann einfach den Weg des geringeren Widerstandes.
Bei größerer Kolbengeschwindigkeit (also wenn der Motor läuft) werden die 40 - 45 bar im realen Dieselmotor schon erreicht, auch wenn man bei Anlassdrehzahl nur 25 bar messen kann.

Möchte man jetzt nun wirklich wissen, was jeder einzelne Zylinder bei laufenden Motor bringt, müßte man ja ein Manometer direkt mit dem Brennraum verbinden. Da am Direkteinspritzer eine Bohrung am Zylinderkopf für das Manometer fehlt, geht das nicht so ohne weiteres. Bei einem Vorkammermotor hätte man die Chance über die Bohrung der Glühkerze zu messen... Aber ob das ein Manometer lange abkann, wage ich zu bezweifeln.

Also: Grundsätzlich ist der Erfahrungswert von etwa 25 bar bei einer Prüfung der Kompression bei Anlassdrehzahl (Manometer an der Bohrung für den Düsenstock angeschlossen) eine gute Grundlage um das Verdichtungsvermögen und damit den Verschleiss eines Zylinders beurteilen zu können.

Gruß
Peter
 
ok ... das nenn ich dann mal eine umfassende Antwort. ;) :like

Ich hab mal in einem meiner Lehrbücher was von etwa 19 BAR gelesen, die bei einem Direkteinspritzer Diesel bei Starterdrehzahl und kalter Maschine erreicht werden sollten, damit der auch bei -20 noch relativ gut anspringt. Das würde sich dann ja mit Peters Ausführungen decken. :)

k = Isentropenexponent von Luft (1,4) hätte ichstatt dessen mit 1,3 angenommen - meine das auch mal im Landtreff gelesen zu haben, was aber nichts zur Richtigkeit meiner Annahme aussagt. ;)


Wenn keine Einwände oder Fragen zum Thema weiter kommen würde ich das ganze dann zusammen fassen und ins Lexikon schieben. Denke das Thema Kompression messen ist immer mal gefragt und genau so oft liest man dann das bei zB. 17:1 laut Handbuch, dann 17 BAR genau richtig wären.
Ergänzt mit der notwendigen Gerätschaft und Hinweisen wie mans im einzelnen durchführt beim Zetor.

Was die Durchführung angeht würde ich alle 3 bzw. 4 Düsenstöcke ausbauen und jeweils 2 bzw. 3 bei der Prüfung draußen lassen um es dem Anlasser leichter zu machen weil er nur einen Zylinder komprimieren muss. Über die Düsenleitungen würde ich 1/2" Schlauch schieben und das andere Ende jeweils, in einen Kanister münden lassen. Gashebel ganz runter (auf aus) ist klar).

Gibts dazu Einwände? :denk2:
 
Hallo Joachim,

die restlichen Düsenstöcke sind freilich auszubauen. Die Anlassdrehzahl ist dann höher und man will ja Batterie und Anlasser nicht mehr quälen als es sein muss!
In aller Regel will man ja ausserdem wissen, bei welchem Druck die Einspritzdüsen abspritzen, wenn man eh´ schon dabei ist (Bosch-Dienst). Den beim Kompressionstest geförderten Diesel aus den Einspritzleitungen der Einspritzpumpe kann man natürlich in einen Kanister leiten, um ihn dann den Kraftstofftank wieder zukommen zu lassen. Die Menge an Diesel ist aber erkläglich gering.

Gruß
Peter
 
Aber nun zurück zur eigentliche Materie. Die Frage lautet ja, wie man den gemessenen Druck denn nun interpretieren soll. Sind jetzt 19 bar noch in Ordnung? Was ist, wenn man nur 15 bar messen kann?

Zunächst will ich beim gemessenen Druck von 25 bar bleiben, der bei einem Verdichtungsverhältnis von E = 17 bei kaltem Motor erreicht werden kann. Wie gesagt ist dann alles in bester Ordnung. Selbst bei einem fabrikneuen Zetor-Motor, oder auch einen generalüberholten Motor der Marke Zetor UR1 werden auch keine höheren Drücke beim Kompressionstest gemessen.

Der Hauptgrund hierfür ist, wie weiter oben beschrieben, die weniger gute Abdichtung von Kolben, Kolbenringen zum Zylinder bei kaltem Motor und der bei Anlassdrehzahl gegebenen geringen Kolbengeschwindigkeit. Dann schleicht ein Teil der zu komprimierende Luft eben durch die Spalte zwischen den besagten Bauteilen durch und wird eben nicht komprimiert. Als Ergebnis kommt dann auch nur ein Druck von "nur" 25 bar zustande. Dies obwohl es im adiabaten (adiabat = wärmedicht) Verdichtungsprozess mit E = 17 und Isentropenexponenten mit 1,4 am Ende des Verdichtungshubes 52,79 bar sein müssten. Da im realen Dieselmotor auch Wärme an die Zylinderwandung und Kolben abgegegen wird, ist der Enddruck der verdichteten Luft wohl besser mit dem Polytropenexponenten n zu berechnen. Der Zahlenwert des Polytropenexponenten n bewegt sich zwischen 1,3 und 1,35. Im Idealfall kann er auch den des Isentropenexponenten k von 1,4 annehmen. Aber wollen wir mal hier mit 1,3 für den Polytropenexponenten n rechnen.

p2 = p1 x E hoch n = 39,77 bar

Die optimistische Aussicht unter Annahme des Polytropenexponenen n von 1,35 würde bedeuten:

p2 = p1 x E hoch n = 44,54 bar

So und spätestens hier stellt sich bei jedem die Frage, warum beim Kompressionstest mit kaltem Motor nur 25 bar gemessen werden, aber bei laufenden, warmen Motor die 40 bar (bei n = 1,3) zustandekommen.

- der Kolben aus Aluminium hat sich erwärmt, und sich im Durchmesser an den Durchmesser des Zylinders angeglichen
- die Kolbenringe sind durch die Druckumlaufschmierung bei laufenden Motor vollständig mit Öl benetzt und lassen fast keine Luft mehr durch

Dann wird das Verdichtungverhältniss von 17 auch erst richtig erfüllt! Deshalb würde ich das Verdichtungverhältnis bei kaltem Motor bei etwa 12 ansetzen.

p2 = p1 x 12 hoch 1,3 = 25,28 bar

Dann kann man bei diesem Messwert im Kompressionstest nur noch jubilieren, ob des wunderbar komprimierenden Motors!

Eine andere Betrachtung ist wohl die Zündwilligkeit des eingespritzen Diesel in der erwärmen Luft. Und da hat ja der Praktiker so seine eigenen Vorstellungen davon. Gehen wir mal von Joachims Kriterium von -20°C aus. Da soll der Dieselmotor anspringen. Die Zündtemperatur von Diesel in erhitzter Luft liegt bei ungefähr 250°C. Nach den Grundsätzen der Thermodynamik errechnet sich die Temperatur des Gasgemisches aus Luft zu:

T2 = T1 x E_kalt hoch (1,3-1) = 533,46 Kelvin = 260,34 °C

Formelzeichen:
T2 = Temperatur des Gasgemisches Luft bei Ende der Kompression [K] bzw. [°C]
T1 = Temperatur des Gasgemisches Luft beim Beginn der Kompression [K]
E_kalt = Verdichtungverhältnis bei kaltem Dieselmotor (12)

Der Dieselmotor mit Direkteinspritzung zündet also auch bei -20° sicher, auch wenn beim Kompressionstest nur 25 bar festgestellt wurden. Die Zündtemperatur von 250°C wurde damit überschritten.

So und was ist jetzt, wenn man beim Kompressionstest nur 20 bar feststellen kann? Na dann wird die Zündungstemperatur eben erst bei höheren Umgebungstemperaturen erreicht. Wenn jetzt nur 20 bar gemessen werden, bedeutet dies, dass das Verdichtungsverhältnis bei kaltem Motor nur etwa 10 beträgt:

p2 = p1 x 10 hoch 1,3 = 19,95 bar

Die Zündtemperatur des Gasgemisches aus verdichteter Luft und eingespritztem Diesel wird also bei einem kalt gemessenen Motor mit 20 bar bei einem Startversuch bei etwa 0°C (T1 = 273,15 Kelvin) überschritten.

T2 = T1 x 10 hoch (1,3-1) = 545 Kelvin = 271,85°C

Wenn man jetzt nur noch 15 bar beim Kompressionstest messen kann. Ergeben sich folgende Verhältnisse:

p2 = p1 x 8 hoch 1,3 = 14,92 bar; das Verdichtungsverhältnis beträgt also bei kaltem Motor nur 8:1.

Die Zündtemperatur wird bei einem Ergebnis von 15 bar im Kompressionstest erst bei einer Umgebungstemperatur von 20°C (T1 = 293,15 Kelvin) sicher erreicht:

T2 = T1 x 8 hoch (1,3-1) = 547,03 Kelvin = 273,88°C

Man kann sagen, dass bei den festgestellten Drücken bei der Kompressionsmessung folgende
Umgebungstemperatur vorherschen müssen, damit dieser Direkteinspritzer auch zum Leben erwacht:

- bei durchweg etwa 15 bar auf allen Zylindern sind sommerliche Verhältnisse bei etwa 20°C erforderlich um den Dieselmotor aus eigener Kraft -und ohne Hilfsmittel wie Startpilot- zum Leben zu erwecken.

- bei durchweg etwa 20 bar auf allen Zylindern, springt der Dieselmotor der Marke Zetor auch noch bei 0° C an.

- bei etwa 25 bar auf allen Zylindern, springt der Dieselmotor der Marke Zetor auch noch bei -20°C an. Die gut gewartete und vollaufgeladene Starterbatterie freilich vorausgesetzt.

Man muss jetzt aber auch dazusagen, dass ein gestarteter und warmer Dieselmotor bei den errechneten Verdichtungsverhältnissen bei kaltem Motor (12..10..8) durchaus das konstruktiv vorgegebene 17:1 bei warmen Motor auch nahezu erreicht. Wie Joachim gesagt hat, ist das "Anspringen" bei großem Verschleiß an Zylinder, Kolben und Kolbenringen, und damit geringer Kompression im kalten Zustand ja das Problem.

"Wenn er aber läuft, dann läuft er"

Ich hoffe damit eine klare Richtschnur zur Interpretation der Ergebnisse beim Messen der Kompression gegeben zu haben.

Gruß
Peter
 

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