Aber nun zurück zur eigentliche Materie. Die Frage lautet ja, wie man den gemessenen Druck denn nun interpretieren soll. Sind jetzt 19 bar noch in Ordnung? Was ist, wenn man nur 15 bar messen kann?
Zunächst will ich beim gemessenen Druck von 25 bar bleiben, der bei einem Verdichtungsverhältnis von E = 17 bei kaltem Motor erreicht werden kann. Wie gesagt ist dann alles in bester Ordnung. Selbst bei einem fabrikneuen Zetor-Motor, oder auch einen generalüberholten Motor der Marke Zetor UR1 werden auch keine höheren Drücke beim Kompressionstest gemessen.
Der Hauptgrund hierfür ist, wie weiter oben beschrieben, die weniger gute Abdichtung von Kolben, Kolbenringen zum Zylinder bei kaltem Motor und der bei Anlassdrehzahl gegebenen geringen Kolbengeschwindigkeit. Dann schleicht ein Teil der zu komprimierende Luft eben durch die Spalte zwischen den besagten Bauteilen durch und wird eben nicht komprimiert. Als Ergebnis kommt dann auch nur ein Druck von "nur" 25 bar zustande. Dies obwohl es im adiabaten (adiabat = wärmedicht) Verdichtungsprozess mit E = 17 und Isentropenexponenten mit 1,4 am Ende des Verdichtungshubes 52,79 bar sein müssten. Da im realen Dieselmotor auch Wärme an die Zylinderwandung und Kolben abgegegen wird, ist der Enddruck der verdichteten Luft wohl besser mit dem Polytropenexponenten n zu berechnen. Der Zahlenwert des Polytropenexponenten n bewegt sich zwischen 1,3 und 1,35. Im Idealfall kann er auch den des Isentropenexponenten k von 1,4 annehmen. Aber wollen wir mal hier mit 1,3 für den Polytropenexponenten n rechnen.
p2 = p1 x E hoch n = 39,77 bar
Die optimistische Aussicht unter Annahme des Polytropenexponenen n von 1,35 würde bedeuten:
p2 = p1 x E hoch n = 44,54 bar
So und spätestens hier stellt sich bei jedem die Frage, warum beim Kompressionstest mit kaltem Motor nur 25 bar gemessen werden, aber bei laufenden, warmen Motor die 40 bar (bei n = 1,3) zustandekommen.
- der Kolben aus Aluminium hat sich erwärmt, und sich im Durchmesser an den Durchmesser des Zylinders angeglichen
- die Kolbenringe sind durch die Druckumlaufschmierung bei laufenden Motor vollständig mit Öl benetzt und lassen fast keine Luft mehr durch
Dann wird das Verdichtungverhältniss von 17 auch erst richtig erfüllt! Deshalb würde ich das Verdichtungverhältnis bei kaltem Motor bei etwa 12 ansetzen.
p2 = p1 x 12 hoch 1,3 = 25,28 bar
Dann kann man bei diesem Messwert im Kompressionstest nur noch jubilieren, ob des wunderbar komprimierenden Motors!
Eine andere Betrachtung ist wohl die Zündwilligkeit des eingespritzen Diesel in der erwärmen Luft. Und da hat ja der Praktiker so seine eigenen Vorstellungen davon. Gehen wir mal von Joachims Kriterium von -20°C aus. Da soll der Dieselmotor anspringen. Die Zündtemperatur von Diesel in erhitzter Luft liegt bei ungefähr 250°C. Nach den Grundsätzen der Thermodynamik errechnet sich die Temperatur des Gasgemisches aus Luft zu:
T2 = T1 x E_kalt hoch (1,3-1) = 533,46 Kelvin = 260,34 °C
Formelzeichen:
T2 = Temperatur des Gasgemisches Luft bei Ende der Kompression [K] bzw. [°C]
T1 = Temperatur des Gasgemisches Luft beim Beginn der Kompression [K]
E_kalt = Verdichtungverhältnis bei kaltem Dieselmotor (12)
Der Dieselmotor mit Direkteinspritzung zündet also auch bei -20° sicher, auch wenn beim Kompressionstest nur 25 bar festgestellt wurden. Die Zündtemperatur von 250°C wurde damit überschritten.
So und was ist jetzt, wenn man beim Kompressionstest nur 20 bar feststellen kann? Na dann wird die Zündungstemperatur eben erst bei höheren Umgebungstemperaturen erreicht. Wenn jetzt nur 20 bar gemessen werden, bedeutet dies, dass das Verdichtungsverhältnis bei kaltem Motor nur etwa 10 beträgt:
p2 = p1 x 10 hoch 1,3 = 19,95 bar
Die Zündtemperatur des Gasgemisches aus verdichteter Luft und eingespritztem Diesel wird also bei einem kalt gemessenen Motor mit 20 bar bei einem Startversuch bei etwa 0°C (T1 = 273,15 Kelvin) überschritten.
T2 = T1 x 10 hoch (1,3-1) = 545 Kelvin = 271,85°C
Wenn man jetzt nur noch 15 bar beim Kompressionstest messen kann. Ergeben sich folgende Verhältnisse:
p2 = p1 x 8 hoch 1,3 = 14,92 bar; das Verdichtungsverhältnis beträgt also bei kaltem Motor nur 8:1.
Die Zündtemperatur wird bei einem Ergebnis von 15 bar im Kompressionstest erst bei einer Umgebungstemperatur von 20°C (T1 = 293,15 Kelvin) sicher erreicht:
T2 = T1 x 8 hoch (1,3-1) = 547,03 Kelvin = 273,88°C
Man kann sagen, dass bei den festgestellten Drücken bei der Kompressionsmessung folgende
Umgebungstemperatur vorherschen müssen, damit dieser Direkteinspritzer auch zum Leben erwacht:
- bei durchweg etwa 15 bar auf allen Zylindern sind sommerliche Verhältnisse bei etwa 20°C erforderlich um den Dieselmotor aus eigener Kraft -und ohne Hilfsmittel wie Startpilot- zum Leben zu erwecken.
- bei durchweg etwa 20 bar auf allen Zylindern, springt der Dieselmotor der Marke Zetor auch noch bei 0° C an.
- bei etwa 25 bar auf allen Zylindern, springt der Dieselmotor der Marke Zetor auch noch bei -20°C an. Die gut gewartete und vollaufgeladene Starterbatterie freilich vorausgesetzt.
Man muss jetzt aber auch dazusagen, dass ein gestarteter und warmer Dieselmotor bei den errechneten Verdichtungsverhältnissen bei kaltem Motor (12..10..8) durchaus das konstruktiv vorgegebene 17:1 bei warmen Motor auch nahezu erreicht. Wie Joachim gesagt hat, ist das "Anspringen" bei großem Verschleiß an Zylinder, Kolben und Kolbenringen, und damit geringer Kompression im kalten Zustand ja das Problem.
"Wenn er aber läuft, dann läuft er"
Ich hoffe damit eine klare Richtschnur zur Interpretation der Ergebnisse beim Messen der Kompression gegeben zu haben.
Gruß
Peter